Selbsthilfe

Hier finden Sie wichtige Übungen, die Sie mit Ihren Kindern durchführen können, um Zentren der Ruhe im Alltag aufzubauen.

Wichtige Regeln im Zusammenleben mit hyperaktiven Kindern:

1. Bieten Sie deutlich mehr (viel mehr) Bewegungsraum, in dem sich ihr Kind frei bewegen kann.

Insbesondere hyperaktive Kinder sind hochgradig experimentier- und bewegungsfreudig. Es handelt sich hierbei um ein essentielles Grundbedürfnis. Grundsätzlich benötigt jedes „normale“ Kind mindestens 12 Km pro Tag an Bewegung. Hyperaktive Kinder benötigen aufgrund ihrer Botenstoffsituation noch mehr an Bewegung und sind deutlich neugieriger (unstillbarer Wissensdrang). Auch bei der Wahl der Schulform ist darauf zu achten, das hier ausreichend Bewegungsangebote vorhanden sind.

Die Bewegungen sind nicht etwa als ein Beiwerk zum Lebensalltag anzusehen. Vielmehr  sind Bewegungserfahrungen essentiell zum Aufbau von Hirnstrukturen zur Selbstkontrolle und Selbststeuerung sowie zum Abbau und der Prävention von Stressreaktionen, wie wir in dem Bereich neurologischer Hintergrund ausgeführt haben. Die Forderung, welche von der Botenstoffsituation ausgeht ist: Gib mir Neues, gib mir Bewegung, gib mir Raum! Kinder, denen nicht ausreichend Bewegung zur Verfügung steht, geraten daher oft in Stressreaktionen, wodurch sich die Muskelspannung in Schulter und Kiefer erhöht. Die Stressreaktion erhöht durch die Adrenalin- und Cortisolausschüttung (Stresshormone) die Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen (corticale Hemmung).

Bei der Wahl der Bewegungsform geht es hierbei in der Anfangszeit weniger um konkret geführte Bewegungen. Eher sollte man das Kind begleiten und bei Fragen, neue Bewegungskompetenzen aufzubauen, Unterstützung zur Verfügung stellen.

Eine besonders fördernde Sportart für hyperaktive Kinder stellt das Parkourtraining und auch das Klettern dar.

2. Üben Sie mit Ihrem Kind balancieren!

Balancieren stärkt die Fähigkeit der Selbstkontrolle. Der präfrontale Cortex ist essentiell an der Hemmung von Unruhe beteiligt. Um die Balance zu halten wird daher diese Hemmung von Unruhe trainiert. Und genau diese Fähigkeit wird später übertragbar auf andere Lebensbereiche. Beginnen Sie mit leichten Balanceübungen auf festem Untergrund Steigern Sie die Schwierigkeit schließlich immer weiter in Richtung beweglicher Untergrund. Der Höhepunkt ist schließlich die Balance auf einem Seil oder einem Spanngurt (Slackline).

Üben Sie strukturiert 1-2x pro Tag.

3. Führen Sie mit Ihrem Kind Atemzählen durch. Erst dann begeben Sie sich an die Hausaufgaben.

Übung Atemzählen:

Die Sitzposition:

Setzen Sie sich bitte so auf den Stuhl, dass Ihre Füße in einem 90° Winkel zu Ihren Unterschenkeln stehen. Die Unterschenkel stehen zu den Oberschenkeln ebenfalls in einem 90° Winkel.

Nun wollen wir sehen, dass die Wirbelsäule besonders gerade ist! Dazu drücken Sie sich bitte nun von dem Stuhl auf dem Sie sitzen mit den Händen ab, sodass sich Ihr Gesäß für einen Moment etwa 5 cm vom Stuhl abhebt, die Beine bleiben so, wie Sie sie vorher aufgesetzt haben. Jetzt richtet sich die Wirbelsäule durch das leichte Abheben des Gesäßes vom Stuhl in die richtige Stellung. Lassen Sie ihr Gesäß nun langsam wieder runter und rücken Sie dabei bitte ein wenig nach hinten an die Lehne, sodass ihre Wirbelsäule von der Lehne gestützt wird. Jetzt dürften Sie das Gefühl haben besonders gerade zu sitzen.

Sollten Ihre Füße aufgrund der Kürze Ihrer Beine nun nicht mehr den Boden berühren, legen Sie sich bitte eine gefaltete Decke oder ein Kissen darunter.

Lassen Sie nun die Hände neben dem Stuhl hängen. Lockern Sie diese kurz. Jetzt legen Sie ihre Hände locker auf die Oberschenkel. Ihre Hände Arme sind dabei leicht gebeugt und ebenfalls absolut locker, eher nicht durchgedrückt.

Richten Sie nun Ihren Kopf auf und finden Sie ein Gleichgewicht auf Ihrer Wirbelsäule. Tun Sie dies so, dass wenn Sie sich nun entspannen würden, der Kopf trotzdem in dieser Position bleiben würde!

Sie sitzen nun im Stuhl wie ein Pharao, ein ägyptischer König, welcher sein Land regiert. Ihr Land ist Ihr Organismus: Diesen regieren Sie nun, es ist Ihr Reich.

Alternativ setzen Sie sich oder Ihr Kind in den Schneidersitz. Ggf. stützen Sie den Rücken, indem Sie sich an eine Lehne anlehnen. Auch hier achten Sie bitte auf den sehr geraden Sitz. Auch wird der Kopf balanciert von der Halswirbelsäule getragen. Die Hände liegen nun locker auf dem Oberschenkel auf und berühren sich nicht. Die Handflächen zeigen emtweder nach unten oder nach oben.

Nun dürften Sie die richtige Position gefunden haben. Überprüfen Sie bitte noch einmal, ob Sie sich wohl fühlen, korrigieren Sie sich gegebenenfalls.

Übung: Ziel – Training und Erhaltung der Konzentration

Wir wollen mit Hilfe des Atemzählens die Konzentrationsfähigkeit und die Selbstkontrolle weiter fördern. Konzentration ist die basale Fertigkeit, Ihr Werkzeug, welches sich Ihr Kind oder Sie selbst als erstes wieder aneignen sollen. Es geht nun darum, Sie oder Ihr Kind darin zu trainieren, sich länger im Hier und Jetzt aufzuhalten, sich zu konzentrieren auf die Gegenwart. Die folgende Übung werden Sie daher häufig üben, solange bis Ihre Konzentration zu einem brauchbaren Werkzeug herangewachsen ist. Die folgende Übung ist daher eine Basis-Übung.

Beschreibung der Atemübung: „Atemzählen“

Nehmen Sie Ihre bequeme Position ein: Den Pharaonensitz oder den geraden Schneidersitz. Trainieren Sie nicht im Liegen! Außer Sie oder Ihr Kind möchte einschlafen.

Tun Sie gleich bitte folgendes: zählen Sie oder mit Ihrem Kind die Ausatemzüge von 1 bis 9. Einmal einatmen und wieder ausatmen = 1; einmal einatmen und ausatmen = 2 etc.. Das Ganze dann bis zu der Zahl 9. Dann fangen Sie wieder mit 1 an und zählen wieder bis 9. Das Ganze insgesamt dreimal. Starten Sie anschließend mit 2 Minuten und steigern Sie auf 5 Minuten.

Alternativ fragen Sie Ihr Kind, ob es in der Lage ist bis 20 oder 50 zu zählen. Fragen Sie dann Ihr Kind, ob es das schafft 20-50x den eigenen Ausatem zu zählen.

Wesentlich bei dieser Übung ist, sich darauf zu konzentrieren, dass man lediglich den Atem zählt, ohne bewusst Einfluss darauf zu nehmen.

Ziel ist es, zu schaffen, dreimal von 1 bis 9 (oder 1x 20-50) zu zählen, ohne aufzuhören, bzw. sich unterbrechen zu lassen. Es geht darum sich einfach nicht zu verzählen. Erst dann ist die Übung geschafft. Lassen Sie sich bitte dabei Zeit. Gut Ding braucht Weile nicht Eile. Es ist nicht von Bedeutung, ob Sie damit anfangs Schwierigkeiten haben, denn es ist eine Übung.

Bitte versuchen Sie nicht, störende Gedanken zu beseitigen, denn dann erst konzentrieren Sie sich auf sie. Lassen Sie sie vorbei ziehen, zählen Sie einfach im Geiste weiter. Kommen Sie immer wieder auf das Zählen zurück. Stellen Sie sich ggf. die jeweilige Zahl bei jedem Atemzug auf einer weissen Leinwand in schwarzer Farbe vor Ihrem geistigen Auge vor. Lassen Sie sich Zeit, dann ist sie auf Ihrer Seite ! Ihrem Kind sagen Sie bitte, dass es eine große Leistung ist, wenn man seinen Atem zählen kann. Schließlich können das auch Kung-Fu Kämpfer aus China.

Bitte führen Sie selbst diese Übung zunächst drei Tage lang mindestens zweimal täglich durch (3x 5 Minuten). Am besten morgens nach dem Aufstehen und abends bevor Sie sich ins Bett begeben. Wenn sie abends üben beenden Sie bitte eine halbe Stunde, besser noch eine Stunde vor dem Üben und dem anschließenden Schlafen Ihren Tag. Sehen Sie bitte kein fern unmittelbar bevor Sie sich ins Bett begeben, sondern machen Sie eine halbe bis ganze Stunde vorher Schluss und führen Sie dann die Übung durch.